Januar: Start in die Selbstständigkeit mal zwei

Januar 2022 startete mit einem Neubeginn. Genau genommen mit zwei.

Den Entschluss für meine Selbstständigkeit habe ich schon 2021 gefasst und bin auch dort gestartet. Aber es lief nur nebenbei und nicht offiziell angemeldet – fast geheim. Als würde ich mich noch nicht trauen diesen Schritt auch wirklich zu gehen. Nur mal reinschnuppern, dann kann man ja noch einen Rückzieher machen.

Am 14. Januar habe ich dann dank meinem Coach Mandy die Gewerbeanmeldung und die Meldung beim Finanzamt abgeschickt. Mir war kotzübel und ich war mega stolz zu gleich. Es gab mir ein Gefühl von „alles ist möglich“. Jeder Traum schien zum Greifen nah. Ich hatte Lust auf Veränderung, auf Wachstum, auf neue Erfahrungen. Raus aus meinem bequemen Hamsterrad des öffentlichen Dienstes. Was für ein Sprung!

Im Januar habe ich auch meine ersten eigenen Kurse im Pole Dance übernommen. Ganz ohne Einarbeitung – ich wurde einfach ins kalte Wasser geschmissen. Aber es gibt nichts berauschenderes als dort im Studio vor meinen Kursen zu stehen, die Musik laut auf zu drehen und diese wunderbare Sportart zu unterrichten.

Manchmal kann ich immer noch nicht glauben, dass ich nicht mehr das kleine, unsportliche Pummelchen bin. Ich bin Trainerin für Pole Dance, einem echt schweren Sport. ICH! Mein Kopf ist immer noch dabei, das zu verarbeiten.

Der Januar legt also einen aufregenden doppelten Neustart hin und legt somit auch den Grundstein für ein aufregendes Jahr.

März: Depressionen - wie es ist, jemanden mit Depressionen zu lieben

Der Monat März 2022 kann gut und gerne als das dunkleste Kapitel meines Lebens bezeichnet werden.

Ich habe einen tollen Mann an meiner Seite. Nennen wir ihn der Einfachheit halber Chris. Das erste Mal das Gefühl, tatsächlich zu lieben und geliebt zu werden. Bedingungslos. Er akzeptiert meine kleineren und größeren Macken. Wir können über alles reden. Wir haben Spaß zusammen, tollen gemeinsam rum wie verliebte Teenager und unser Intimleben ist einfach nur fantastisch.

Aber Chris beginnt sich vor mir zu verschließen. Ich merke, wie unglücklich er im Job ist und wie sehr ihn das alles belastet. Ich weiß, mein Partner leidet unter Depressionen – unbehandelt. Er tat das immer ab, dass sei bei ihm quasi nicht aktiv und es ginge ihm gut. Ich habe ihm geglaubt. Aber im März konnte ich dabei zusehen, wie der Mann, den ich liebte, ganz langsam verschwand. Nur wirklich verstanden habe ich es viel zu spät.

Ich weiß noch, wir hatten Streit. Irgendetwas banales. Eigentlich kaum der Rede wert. Aber mich beschlich die ganze Zeit ein ganz eigenartiges Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Aus einem Impuls heraus fragte ich Chris, ob er mich noch liebte. Er konnte mir diese Frage nicht beantworten.

Ich hab um Erlaubnis gebeten ihn sehen zu dürfen und auf dem Weg zu ihm hatte ich unheimliche Magenschmerzen. Man war mir kotz übel. Nervosität? Vorahnung? I don’t know…

Noch heute weiß ich ganz genau wie es war, seine Wohnung zu betreten. Es war alles dunkel. Nur ein roter Lichterschlauch war an und es lief unheilschwangere Musik. Fast wie in einem Horrofilm.

Er kam nicht zur Tür. Hat nichts gesagt. Langsam bin ich ins Zimmer gegangen und es erwartete mich etwas, was mein Verstand bis heute nicht verarbeiten kann.

Dieser fröhliche, lebenslustige, liebevolle Mann, den ich kannte… Er war nicht mehr da. Auf dem Bett saß ein völlig Fremder. Den Blick starr nach vorn gerichtet, die Augen leer. Wie tot. Er sagte keine Wort. Sah nicht mal auf, geschweige denn mich an.

Ich kann mich noch erinnern, wie überfordert ich war. Als würde mein Hirn nicht verarbeiten können, was es gerade sieht. Ich wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte. Auf die Frage, ob ich mich zu ihm setzen dürfte, bekam ich nur ein Schulterzucken. Da saß ich nun. Neben mir eine Schaufensterpuppe, die aussah wie Chris und roch wie Chris, aber nicht Chris war.

Mehr geschah nicht. Mehrere Tage lang. Ich fuhr jeden Tag zu ihm. Ich brauchte das Gefühl, er sei noch da. Denn Kommunikation übers Handy fand nicht mehr statt. Nur die blauen Haken bei WhatsApp sagten mir, dass er noch lebte. Und der tägliche Besuch bei ihm.

Nach einer Woche durfte ich ihn in den Arm nehmen und er drückte mich so fest an sich, als würde sein Leben davon abhängen. Seit einer Woche kein Wort und keine Berührung von ihm. Ich bin in Tränen ausgebrochen. Dabei habe ich immer versucht, dass erst im Auto zu machen. An dem Abend brachte er mich zur Tür. Er nahm mich in den Arm und flüsterte „Danke“ und weinte. Mehr nicht.

April: Flucht - Yoga-Retreat-Business-Workation im Nirgendwo

Im April war mir einfach alles zu viel. Die Depression und ihre Begleiterscheinungen haben mich überfordert und mir allen Lebensmut und alle Kraft genommen. Tatsächlich wollte ich schon sehr lange auf ein Yoga-Retreat und Sarahs Workation kam wie ein Weckruf. Ein Business-Workation-Yoga-Retreat in der brandenburgischen Pampa mit dem wunderschönen Namen Wonderful Women Workation. Es war das erste Mal, dass ich so viel Geld nur für mich investiert habe.

Raus. Raus ins ländliche Brandenburg. Mit dem Auto der Sonne entgegen. Die Fenster runtergekurbelt, dass Radio aufgedreht. So fühlt sich für mich Freiheit an. Ich kann hingehen, wohin ich will. Nur ich und der Wind in meinen Haaren und ein guter Song im Ohr.

Ich war zu spät, kam als letzte an. Ich hasse es anzukommen, wenn alle schon da sind. Alle Blicke im Raum sind dann auf einen gerichtet und man steht unfreiwillig im Mittelpunkt. Aber ich wurde toll aufgenommen. Eine herrliche Gruppe von 5 Frauen, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Aber dennoch fühlte ich mich angenommen.

Mein Ziel war etwas nur für mich zu tun. Nur zu sein und zu fühlen und zu atmen. Fühlen, dass ich noch am Leben bin. Nicht ständig auf mein Handy schauen, in der Hoffnung auf die eine Nachricht, die mir zeigt, dass mein Partner wieder da ist. Mich wieder liebt. Dieses Warten hat mich zermürbt. Warten auf den Tag, an dem alles wieder normal ist. Wie lange dauert sowas? Zwei Wochen, zwei Monate, ein Jahr? Zu diesem Zeitpunkt waren es bereits vier Wochen.

Dieser Ort und diese Menschen waren heilsam. Morgens in der kühle des Aprils mit meinem Kaffee draußen zu sitzen und die Weite des Lebens zu spüren, hat mir Kraft gegeben. Ich hatte wieder Lust auf meine Arbeit, Lust auf Gespräche und gutes Essen. Lust auf Leben und lachen.

In der Mitte der Workation machte Sarah mit uns eine Kakao Zeremonie – meine Erste. Diese Zeremonie hat mich extrem an meine Grenzen gebracht. Denn ich heule nicht vor anderen. Tja, dass sah mein Körper aber anders. Bei dieser Zeremonie sind alle Dämme gebrochen.

Ich hatte einen Pulli von Chris an. Normal people scare me. Dann sollte jede von uns eine Karte ziehen. Auf meiner stand: Wait. Pause. Say no.

Aus all den Karten, hab ich ausgerechnet diese gezogen. Es fühlte sich an, als würde mein Herz zerspringen. Und dann setze Sarah noch einen drauf: die herzöffnende Kakao Zeremonie mit einer Meditation zu dem Song „I am the light of my soul“.

I am the light of my soul. I am beautiful, I am bountiful, I am blessed. I am, I am.

Alle Dämme sind in mir gebrochen. Alles was ich vier Wochen in mich rein gefressen habe. All der Kummer, all der Schmerz, all die Verzweifelung. Sarah kam nach der Zeremonie zu mir und hat mich in den Arm genommen. Ich ließ es zu. Es half meinem Herzen. 

Mai: Collins Tod - Abschied meines besten Freundes

Collin war fast 13 Jahre ein Teil meines Lebens. Ponnie ist im November 2021 gestorben und Collin und ich waren plötzlich alleine. Er hat mir Halt gegeben. Aber ich musste über viele Monate zusehen, wie mein einst so agiler, aufgeweckter Hund langsam aber sicher immer mehr verschwand.

Collin war dement und hatte sehr schwere Arthrose in den Hinterläufen. Zeit seines Lebens ist er immer Bällen und Stöckchen nach gejagt und auf einmal konnte er das nicht mehr. Menschen, die er geliebt hat, hat er plötzlich nicht mehr erkannt. Er wurde ruhiger und anstrengender. Für mich eine harte und schwere Gradwanderung zwischen Liebe, Angst und Überforderung.

Noch heute erinnere ich mich daran, wie ich Collin kennengerlernt habe. Er hat mich ausgesucht. Viele meiner Freunde sagen immer wenn ich das sage, Collin hat alle Menschen geliebt, er wäre mit jedem mitgegangen. Aber was Collin und ich hatten, was uns verband, war besonders. Ihn gehen zu lassen, war eines der schwierigsten Dinge, die ich in meinem Leben je machen musste. Auch wenn ich diese Entscheidung inzwischen schon drei Mal in meinem Leben treffen musste.

Einerseits können wir zum Glück entscheiden, wann es für ein Tier Zeit ist zu gehen – kein Tier muss sich bis zum Ende quälen. Aber was das bedeutet, entscheiden zu müssen, jemanden töten zu müssen, den man mehr liebt als alles andere auf der Welt… Es ist wohl das Schwerste, was ein Mensch tun kann. Aber gleichzeitig ist es die größte Liebeserklärung, die ich Collin machen konnte. Ihn so sehr zu lieben, dass ich ihn gehen lassen konnte, obwohl ich ihn für immer bei mir haben wollte… Das ist doch der Inbegriff von Liebe oder?

Juni: Urlaub im Paradies - zwischen Himmel & Hölle

Maledives – here we go. Mit diesem Ort wird irgendwie ein Traum wahr. Türkises Wasser, traumhafte Strände und Himmel soweit man blicken kann. Der Weg war beschwerlich. Fast 30 Stunden waren wir von Tür zu Tür unterwegs und wir waren einfach tot, als wir endlich auf Guraidoo angekommen waren.

Weit weg von Zuhause im Paradies. Die Vorfreude war riesig und dieser Ort einfach magisch. Aber ich war auch weit weg von Zuhause, nur Chris und ich. Wir – ich – wollte das mit ihm zusammen entdecken und genießen. Nur wir zwei nach dieser echt beschissenen und harten Zeit für uns. Aber es sollte leider ganz anders kommen.

Am zweiten Tag unseres Urlaubs hat mich auf Instagram auf Grund meiner Story eine fremde Frau angeschrieben. Sie sagte mir, dass sie über das Internet eine Quasi-Beziehung mit meinem Freund führt. Du kannst dir nicht vorstellen, was in so einem Moment in deinem Kopf für ein Film abfährt. Irgendwie denken wir immer: uns passieren solche Dinge nicht. Und wenn es dann soweit ist – BÄMM!

Ich habe irgendwie nur noch funktioniert, nur noch reagiert, aber nicht mehr gedacht. Ich bin ausgerastet – vielleicht nachvollziehbar. Ich habe unser Zimmer verlassen und habe trotz Zeitverschiebung eine Freundin angerufen – Internet sei Dank geht das auch von so weit weg. Ich war einfach am anderen Ende der Welt, eine Tagesreise weg von Zuhause, keine Möglichkeit der Situation zu entkommen.

Der Gedanke, dass ich dieses Paradies mit dem Mann teilen wollte, den ich liebte, während er neben mir liegend mit einer anderen Frau unsagbare Dinge schreibt, ist mehr als ich ertragen kann. Solche Dinge zerstören deinen Selbstwert, sie machen dich plötzlich wieder klein und unbedeutend und ungeliebt. Alle Arbeit an mir, meinem Mindset und meinem Selbstwert dahin – innerhalb eines Wimpernschlages. Ich begreife nicht, wie man einem anderen Menschen so etwas antun kann. Einem Menschen den man liebt. Angeblich.

Wie macht man da weiter? An Tag zwei von vierzehn. Nach so einer Offenbarung. Mit diesem Gefühl von Betrug und Verrat. Wie macht man weiter, wenn jemand den man liebt, einem so etwas angetan hat und das an einem Ort wie diesem? Für mich waren die Malediven nicht einfach nur ein Urlaub. Für mich hatte das eine Bedeutung. Es bedeutet etwas, wenn man den ersten gemeinsamen Urlaub plant, das erste Mal gemeinsam so etwas erlebt. All meine Gedanken und Wünsche fühlten sich einfach falsch an.

Ich hab versucht weiter zu machen, zu verzeihen, diesen Urlaub zu genießen. Aber an diesem Tag ist etwas zerbrochen. Doch es hat mir auch viel über mich selbst gezeigt. Zum Beispiel, dass ich gar nicht wirklich weiß, wer ich in einer Beziehung sein will. Was sind meine Grenzen, was kann ich akzeptieren und was sind Dinge, auf die ich nicht verzichten kann?

Es hat mir gezeigt, dass ich über diese Dinge nach denken darf und mich in dieser Rolle als Partnerin und als Frau noch finden darf. Doch was bedeutet das für meine Beziehung? Ich hab das Gefühl, ich muss alles überdenken. Nicht nur die Beziehung, sondern mich selbst darin.

Juli: SpreeCON oder was von mir übrig ist

Der Juli in einem Wort: rough.

Wie nicht anders zu erwarten war, hat die Beziehung zu Chris die Malediven nur kurz überdauert. Aber nicht ich war diejenige, die es beendet hat. Ich habe gekämpft, gebettelt und gefleht. Vergeblich. Chris konnte sich selbst in dieser Beziehung nicht finden, konnte seinen Platz darin nicht finden und mir nicht geben, was ich verdiente.

Ich bin mit dem Ende dieser Beziehung nicht klar gekommen. Weiter zu machen war jeden Tag ein harter Kampf. Los zu lassen erschien mir unmöglich. Wir hatten doch noch so viel vor, so viele Pläne und Träume. Haben wir wirklich alles versucht, um uns zu retten?

Wir beide kamen nicht los voneinander. Dieser Satz, wir können nicht mit und auch nicht ohne einander, trifft auf uns leider zu. Da sind so viele Gefühle und so viel Nähe zwischen uns, dass ein Kontaktabbruch für keinen von uns funktioniert hat.

Der Juli sollte eigentlich der Auftakt für etwas Großes werden. Ich hatte große Träume, habe finanziell etwas riskiert, weil ich an mich und meine Träume glauben wollte. Mit aller Macht. Aber wie soll man noch an seine Träume glauben, wenn jeder Atemzug und jeder Gedanke einfach zu viel ist?

Der Plan war 4 Stunden, ein Floß auf der Spree in Berlin, 30 selbstständige Teilnehmerinnen, 6 wunderbare Speakerinnen, Sommer, Sonne, Spaß und netzwerken. Es sollte der Auftakt vieler solcher Events werden. Ich war so stolz – die SpreeCon war mein Baby. Meine Speakerinnen waren begeistert und überzeugt von der Idee und haben mit mir gemeinsam fleißig die Werbetrommel gerührt.

Bis ich Anfang Juli den Komplettausfall hatte. Ich habe mein Bestes gegeben. Nur konnte ich einfach nicht fröhlich durch meine Insta Story tanzen und jubeln und die SpreeCon anpreisen. Mir war nach verkriechen und heulen, nicht nach Party und Fröhlichkeit.

Ich habe mein Bestes gegeben. Jeden Tag. 

Am 15. Juli 2022 fand die SpreeCon statt. 12 Teilnehmerinnen, 5 davon Speakerinnen und ich, auf einem riesengroßen Floß.

Ich werde niemals vergessen, wie wir alle am Pier gestanden haben, in freudiger Erwartung auf das was kommt, auf den Abend und die Menschen. Dieses Gefühl war gigantisch! Ich habe das alles auf die Beine gestellt, habe an mich geglaubt und es trotz aller Widerigkeiten durchgezogen. Ich denke, dass verdient einen Moment des Schulterklopfens.

Am Ende war die SpreeCon perfekt, so wie sie war. Hat sie mich finanziell in eine Bredouille gebracht? Oh ja. Aber dieser Abend war toll und perfekt mit den Frauen, die da waren. Es gab tatsächlich keinen einzigen Vortrag an diesem Abend. Der Abend stand einfach nur im Zeichen von tollen Frauen und tollen Gesprächen. Es sind viele tolle Verbindungen an diesem Abend entstanden und einige bestehende vertieft worden. 

August: Rettung in Form eines Teufels

Nach Collins Tod habe ich lange nach einem neuen Begleiter gesucht. Denn eines steht unumstößlich fest: ein Leben ohne Hund ist möglich, aber sinnlos.

Aber keinen der Hunde, den ich wollte, sollte ich bekommen. Es kam immer etwas dazwischen. Kein Haus mit Garten. Nicht in die Großstadt vermittelbar. Ist schon reserviert. Bis ich im August Jace kennenlernte.

Ein privater Züchter in Kleinmachnow hatte gerade Welpen. Labrador Border Collie Mischlinge. Zwei schwarze Rüden und ein weißer Teufel. Der Name kommt nicht von ungefähr, so wurde er mir vorgestellt. Aber der Züchter hätte sagen können was er wollte, ich hatte mich schon anhand der Bilder für Jace entschieden.

Ohne Hund fühle ich mich leer und allein. Ich habe Hunde seit ich sieben Jahre alt bin. Und seit der Trennung von Chris fühlte ich noch mehr, wie sehr die leere Wohnung mich erdrückte. Ich sehnte mich nach Lebenslust, Nähe, Zuneigung, Spaß und Bewegung. Aber ein Welpe?!

Doch Jace war und ist meine Rettung. Er ist Liebe pur. Wir beide dürfen gemeinsam in dieses Leben reinwachsen und so viel voneinander lernen. Dieser kleine Fellball auf vier Beinchen tapste völlig unbedarft in mein Leben und hat allem wieder einen Sinn gegeben.

Jeden Tag auf zu stehen wurde dank Jace wieder etwas Gutes. Du kannst gar nichts anderes tun, als weiter zu machen, wenn du permanent einem kleinen Welpen alle Flausen austreiben musst. Liegen bleiben bedeutet, dass das nächste Paar Schuhe dran glauben muss oder die nächste Pippi-Pfütze den Boden ziert. Aber wenn dieses kleine Kerlchen sich abends nach einem langen, aufregenden Tag an mich gekuschelt hat, als wäre es das Normalste der Welt, dann waren alle anderen Stimmen in meinem Kopf leise.

September: Einsame Rückkehr ins Leben

Jace und ich sind nur schon 4 Wochen zusammen und mein Leben hat wieder Fahrt aufgenommen. Ich habe mich aus dem Tief befreit und kann wieder frei atmen.

Zugegeben, dass Leben mit einem Welpen ist nicht nur schön. Es ist auch wahnsinnig anstrengend. Aber es lohnt sich. Jace ist ein wunderbarer, treuer Begleiter und erfüllt mein Herz wieder mit tiefer Liebe und Freude.

Nach zwei langen Monaten im Schatten habe ich das Gefühl endlich wieder ich selbst zu sein. Ich habe wieder Spaß am Leben, treffe meine Freunde, arbeite an meiner Selbstständigkeit und gebe meine Pole Dance Kurse. Langsam wächst in mir auch wieder der Gedanke, dass jemand anderes als Chris an meiner Seite in Frage kommt und ich wage mich vorsichtig wieder raus vor die Tür.

Doch das Leben hatte andere Pläne mit mir.

Es ist Freitag Abend. Mein kleiner Welpe spuckt Blut. Alle Tierärtze in Berlin haben uns auf Grund der Uhrzeit oder Personalmangel weggeschickt. Jace lag apathisch in meinem Arm. Niemand half uns. Ich war allein, ängstlich und völlig überfordert. Zum Glück nimmt uns die Tierklink Potsdam auf. Es ist der 16. September – mein Geburtstag. Der schlimmste, den ich jemals hatte.

Jace muss 2 Tage stationär aufgenommen werden. Er ist stark dehydriert und schwach. Das Blut kommt aus seinem Magen. Der kleine Kerl hat beim Sitter im Garten Kirschkerne gefressen. Die sind giftig für Hunde, auf Grund der Blausäure, die sie enthalten. Ich sitze den ganzen Tag vor dem Telefon in der Hoffnung auf gute Nachrichten aus der Klinik.

Am Sonntag durfte ich Jace endlich wieder abholen. Was soll ich sagen: mein Hund liebte die Klinik! Er war natürlich der Star auf der Station und jeder Pfleger und jede Schwester betuddelte Jace. Er wollte gar nicht nach Hause. Ich war also völlig umsonst verrückt vor Sorge. Dennoch war ich froh ihn wieder bei mir zu haben.

Tja, auch das sollte sich bald ändern. Am selben Tag abends war dann klar – ich habe Corona. Ab in die Quarantäne. Von dem Tag nur noch Jace und ich und der verdammte Husten.

Oktober: Corona und die Frage nach dem Krebs

Covid hat alles durch einander gebracht. Wochen in der eigenen Wohnung eingesperrt und das mit einem Welpen, der gerade voller Freude die Welt entdeckt. Tolle Kombination. Ich selbst wollte nur noch vor mich hin siechen.

Corona hat mich echt umgehauen, obwohl man das, was ich durchgemacht habe, wohl als einen leichten Verlauf beschreiben würde. Leider haben die Begleiterscheinungen von Corona mich weiter begleitet. Als wäre das nicht alles schon blöd genug gelaufen, nehm ich auch noch Long-Covid mit. Super.

Leider wurde bei mir auch eine Gewebeveränderung am Gebärmutterhals festgestellt, welche operativ entfernt werden sollte. Erst mal nicht dramatisch, aber in einer Familie mit einer recht langen Krebs Vorgeschichte bekommen diese Worte eine tiefere Bedeutung.

Covid hat alle Pläne geändert. Dank meiner Erkrankung an Covid musste der Termin für meine OP verschoben werden. Danach 3 Wochen schonen, nichts über 5 kg heben und keinen Sport. Hab ich erwähnt, dass Welpen keine Treppen laufen dürfen und Jace bereits 15 kg wiegt? Nein? Aber genauso war es.

Doch ich will nicht meckern. Ich habe die OP super weggesteckt und das entnommene Gewebe war unauffällig. Ich muss alle halbe Jahre zur Nachkontrolle bei einem speziellen Frauenarzt, aber damit kann ich super leben. Die Angst ist weg und ich fühle mich in guten Händen bei meiner Ärztin.

November: Neuer Versuch und alte Muster

Ich bin schlecht im Schluss machen, schlecht in Trennungen. Es fühlt sich so endgültig an, einen Menschen gehen zu lassen, der einem über einen langen Zeitraum hinweg so nah gestanden hat. Das Gefühl nie wieder mit diesem Menschen sprechen zu können, ist sehr schwer zu ertragen.

Bei Chris und mir war es nicht fehlende Liebe, die uns getrennt hat, sondern die Unfähigkeit einen gemeinsamen Weg zu finden. Das hat es für mich umso schwerer gemacht. Nenn mich naiv, aber ich gehöre zu der Sorte Mensch, die glaubt, Liebe macht alles möglich und wenn man  liebt, findet man einen Weg. Vielleicht mag es naiv sein, aber ich möchte daran glauben.

Loslassen war keinem von uns möglich. Wir beide konnten den Gedanken nicht ertragen, nie mehr mit dem anderen zu sprechen. Letzten Endes war der einzige Weg raus aus dieser Abhängigkeit der Weg zurück zu uns. Das mag komisch klingen, doch für uns beide schien es der richtige Weg zu sein. Wir haben es ohne einander versucht und keiner von uns war damit glücklich. Dann müssen wir einen Weg finden, gemeinsam glücklich zu werden.

Das ist sehr viel schwieriger als es klingt. Wie startet man eine neue Beziehung mit jemandem, mit dem man bereits zusammen war und mit dem man vermeintlich gescheitert ist? Wie soll man sich in einer Beziehung neu entdecken, wenn man doch schon alles über den anderen weiß?

Wir nahmen uns vor das zusammen heraus zu finden und alte Muster zu identifizieren und aufzulösen.

Dezember: Rückschau und der Blick nach vorn

Ich gestehe: ich liebe den Dezember und die Weihnachtszeit! Wer im Winter schon mal in Berlin war, kennt den Zauber der wundervoll geschmückten Straßen. Nichts geht über einen Spaziergang über den beleuchteten Kudamm zur Weihnachtszeit, endend am Breitenbachplatz mit einem heißen Becher Feuerzangenbowle in der Hand.

Gleichzeitig ist der Dezember so verheißungsvoll. Das Jahresende steht bevor und wir machen uns Gedanken, was das nächste Jahr alles mit sich bringen wird. Eine Zeit zum Träumen und Schwelgen.

Mein Dezember war nicht wie sonst. Der Zauber dieser magischen Zeit hat mich dieses Jahr nicht gepackt. Anfangs hat mich gequält, dass ich meine Fenster nicht geschmückt hatte und es auch kein selbstgemachter Adventskranz auf meinen Wohnzimmertisch geschafft hatte. Aber mir wurde schnell klar, dass ich diese Dinge für mich tue, für niemanden sonst. Wieso mich also quälen, wenn ich dieses Jahr einfach nicht die Kraft für meine geliebten Weihnachtstraditionen aufbringen konnte?

2022 hat mich unheimlich viel Kraft und Nerven gekostet. Ist es da nicht normal, dass die Puste einfach irgendwann raus ist? Dieses Jahr stand der Dezember im Zeichen der Achtsamkeit.

Achtsamkeit – was heißt das überhaupt? Alle schmeißen immer mit diesem Wort um sich. Für mich hieß es mindestens zwei Gänge zurück schalten, mehr auf mich und meine Bedürfnisse schauen, mir Zeit alleine nehmen, ohne Arbeit, Aufträge und Verpflichtungen und wieder zu den Dingen zurück kehren, die mir echte Freude bereiten.

Weißt du, dass diese Frage gar nicht so leicht zu beantworten ist? Was in deinem Leben tust du aus purer Freude? Dieser Frage werde ich sicherlich länger nachgehen dürfen.

Doch eine Sache hat sich im Dezember sehr deutlich gezeigt: meine Beziehung hat mir keine Freude mehr bereitet. Unser Alltag war geprägt von Verletzung und unerfüllten Sehnsüchten, vielleicht auch ein Stück weit Erwartungen. Ich habe versucht, frei von Erwartung in dieses Abenteuer „Beziehung nach Trennung“ einzusteigen, aber wer ist schon komplett frei davon.

Fakt ist: ich konnte Chris nicht geben was er brauchte und er mir nicht. 

Dann gab es dieses eine letzte Telefonat einen Tag vor seinem Geburtstag. Beide sind wir dankbar, den anderen in unserem Leben gehabt zu haben, dankbar für die Zeit und die Erfahrungen und die Liebe, aber wir wurden beide nicht glücklicher. Das war der Punkt, an dem wir endlich entscheiden konnten getrennte Wege zu gehen.

Wir hatten noch mal drei Monate. Ich schreibe bewusst nicht drei schöne Monate, obwohl mir diese Formulierung auf der Zunge lag. Nein. Es waren einfach nur drei Monate zusammen. Aber ich habe diese Zeit gebraucht, um damit abschließen zu können. Drei Monate, um zu begreifen, dass wir zwei nicht für immer sind.

Haben wir alles versucht? Nein. Aber wir hatten jede Chance, alles zu versuchen und zu kämpfen und an dieser Liebe fest zu halten. Doch wir haben es nicht getan. Und das für sich betrachtet ist doch Aussage genug.

Heute kann ich damit abschließen und gehe gestärkt aus dieser Erfahrung heraus.

Liebes Jahr 2023 – ich wünsche mir jemanden, der sein Leben mit mir teilen und gestalten will, dem ich niemals zu viel sein werde und der mich liebt für die Person, die ich bin.

2023, please be awesome.

 

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